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«In meiner Kirche sprechen wir darüber!»

25. November 2020

Die Methodistenkirche in Argentinien nimmt den «Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen» am 25. November zum Anlass, 16 Tage lang Aktionen zu diesem Thema durchzuführen. Der internationale Tag der Menschenrechte am 10. Dezember ist der Schlusspunkt der Aktionstage. Auch die Methodistenkirche in Chile setzt sich für die Beseitigung von Gewalt an Frauen ein.

In Argentinien wurde 2019 in Durchschnitt alle 32 Stunden eine Frau ermordet. 40% der Frauen wurden von ihrem Partner ermordet, 28% von ihrem Ex-Partner, meistens in ihrem Zuhause. Diese sogenannten Femizide sind jedoch nur die Spitze des Eisberges. Denn hier werden «nur» Fälle erhoben, in denen die Frauen aufgrund ihres Geschlechts umgebracht wurden.

Methodist*innen brechen das Schweigen

Überall in Südamerika haben sich in den letzten Jahren Protestbewegungen mit dem Slogan «Ni una màs!» (Nicht eine mehr!) formiert, damit diese Form der Gewalt endlich aufhört. So gibt es inzwischen in vielen Ländern gesetzliche Grundlagen dafür, um diese Verbrechen ahnden zu können. Trotzdem nimmt die Zahl die Femizide nicht ab. Verantwortliche der Methodistenkirche in Argentinien sagen dazu: «Die Gewalt gegen Frauen ist ein strukturelles Problem. Über Jahre hinweg wurde sie verschwiegen, unsichtbar gemacht und zu unserer Gewohnheit. Wir müssen dieses Schweigen brechen, damit sich etwas verändert. Die Kirche hat diesen prophetischen Auftrag.» Deshalb heisst das Motto für die Aktionen der Methodist*innen dieses Jahres «En mi Iglesia de esto Sí se habla»: «In meiner Kirche sprechen wir darüber!»

Liebe, Respekt, gegenseitige Vernetzung

Pfarrer Jaime Medina, Projektleiter des Friedensprojekts der Methodistenkirche im Süden Chiles, sieht dies ähnlich. In einem Radiogespräch meint er, dass die besten Gesetze der Welt nichts nützen, «wenn unsere Herzen nicht davon überzeugt sind, dass Frauen und Männer gleichwertig sind». Die Kultur des Machismo und des Patriarchats basiert auf Fehlinformation. Die Menschenrechte ermöglichten dagegen ein Miteinander, in dem Männer und Frauen als gleichwertig anerkannt werden. Er sieht denn auch die Aufgabe des Staates darin, eine Bildung zu garantieren, die auf Liebe, Respekt und gegenseitiger Vernetzung basiert. Ausserdem müsse der Staat Unterstützung anbieten für Menschen, die Hilfe brauchen, für Opfer und Täter. Dies bestätigt der zweite Gast des Radiogesprächs, eine Theologin der Pfingstbewegung. Sie weist darauf hin, dass unter dem Patriarchat auch die Männer leiden.

Von Kindesbeinen an

Die Methodistenkirche in Chile setzt darum auf die Kinder- und Jugendarbeit. Gleichstellung, Inklusion, Menschenrechte, der nachhaltige Umgang mit der Schöpfung und ähnliche Themen werden von früh an thematisiert. So lernen bereits Kinder in der Sonntagschule diese Werte kennen und können so neue Strategien entwickeln, wie sie mit Konflikten umgehen können. Pfarrer Jaime Medina erinnert sich an seine Kindheit in der Methodistenkirche in Chile. In allen Gremien sei sehr genau geschaut worden, dass immer ein Mann, eine Frau und jemand aus der Jugend vertreten war. Dieses Bild des respektvollen Miteinanders habe seine Einstellung gegenüber anderen Menschen nachhaltig geprägt.

Neue Verhaltensmuster auch in der Schweiz nötig

Auch in der Schweiz ist Gewalt gegen Frauen ein Thema. Fast alle zwei Wochen wird eine Person durch häusliche Gewalt getötet. Die Mehrheit der Opfer von häuslicher Gewalt sind Frauen und Kinder. Während und nach dem Lockdown nahm häusliche Gewalt zu. Die Gesetze zum Schutz vor häuslicher Gewalt wurden in den letzten Jahren verbessert, aber es braucht auch hier neue Verhaltensmuster. Die Bilder des starken Mannes und der schwachen Frau sind tief verwurzelt.

Prävention bei Schweizer Methodist*innen

Die Methodistenkirche in der Schweiz hat in den letzten Jahren ein Präventionskonzept für den Schutz vor Mobbing, materiellem Missbrauch, geistlichem Missbrauch und sexuellem Missbrauch erarbeitet. In einem Verhaltenskodex beschreiben acht Sätze, wie das Zusammenleben in der Kirche gestaltet werden soll. «Ich begegne meinen Mitmenschen offen und achte sie so, wie sie sind», und: «Ich achte auf die körperliche und seelische Unversehrtheit» sind zwei davon. Die Sätzen sollen immer wieder daran erinnern, verinnerlichte Bilder zu hinterfragen und einen gleichwertigen Umgang mit dem Gegenüber zu führen. Damit sich Verhalten nachhaltig verändert, muss diese Arbeit geleistet werden.

Text: Corinna Bütikofer Nkhoma, Connexio // Bild: MARCHA PATRIÓTICA, flickr.com, CC BY-ND 2.0