«Ich fühle mich überall wohl, wo ich offenen Menschen begegne!»
Andreas Stämpfli war langjähriger Geschäftsleiter bei Connexio und hat die Entwicklung des Hilfswerks der Evangelisch-methodistischen Kirche der Schweiz (EMK) hautnah miterlebt. Er konnte die Veränderungen von der ehemaligen «äusseren Mission» bis hin zur Gründung von Connexio aktiv mitgestalten. Aus Anlass des 20 Jahre-Jubiläums von Connexio im Jahr 2022 erzählt Andreas, wie sich die Entwicklungszusammenarbeit in diesen Jahren gewandelt hat.
Lieber Andreas, danke dass wir dir im Hinblick auf das 20 Jahr-Jubiläum von Connexio ein paar Fragen stellen dürfen. Zuallererst: Wie geht’s dir, jetzt offiziell im Ruhestand, aber doch als sehr aktiver Pensionär?
Danke für die Nachfrage. Es geht mir sehr gut. Ich fühle mich privilegiert in meiner aktuellen Lebenssituation, denn ich kann meine Zeit und meine Energie dort einsetzen, wo es mir Freude bereitet. Dazu gehört auch, dass ich mich weiterhin für wichtige Anliegen nützlich machen kann – also eine ausgewogene Work-Life-Balance.
Du bist ja ein Mann der ersten Stunde bei Connexio. Was hat zur Gründung von Connexio geführt? Du warst bereits vorher im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und Mission der EMK tätig.
Bei der EMK Schweiz gab es früher drei Arbeitsbereiche, die sich mit Evangelisation, Entwicklung und Sozialprojekten befassten: „Innere Mission“, „Äussere Mission“ und „Hilfe im Sprengel“. Als ich 1999 meine Arbeit als Missionssekretär bei der Äusseren Mission aufnahm, gab es bereits Bestrebungen, die drei Bereiche zusammenzuführen und besser auf aktuelle Erfordernisse auszurichten. Es ging um die Fragen, was zeitgemässe Mission sei und was dafür geleistet werden soll. Der Begriff „Mission“ war umstritten, denn er implizierte Aktivitäten in nur einer Richtung: von den Wissenden zu den Unwissenden. In Zukunft wollte man mit allen Beteiligten partnerschaftlicher zusammenarbeiten, voneinander lernen, das Evangelium in „Wort und Tat“ verkünden und vor allem mehr Menschen an dieser Arbeit beteiligen.
Bei der EMK entstand aus den drei bisherigen Arbeitsbereichen die neue Organisation mit dem Namen „Connexio – Netzwerk für Mission und Diakonie der Evangelisch-methodistischen Kirche“. Der offizielle Startschuss erfolgte an der Jährlichen Konferenz 2002 auf der Chrischona bei Basel.
Connexio heisst jetzt «hope and develop». Was hat sich in den letzten Jahren geändert bezüglich Entwicklungszusammenarbeit? Ganz global gesehen, oder auch in Bezug auf Connexio?
Um die Jahrtausendwende gab es sowohl in der Entwicklungszusammenarbeit wie auch bei weltweiten kirchlichen Beziehungen grundlegende Veränderungen, so dass man sogar von Paradigmenwechsel sprach. Beispielsweise hatte man früher Fachkräfte wie Agronomen, Ärztinnen, Hebammen, Lehrer oder Pfarrperson in die Einsatzländer entsandt. Dort unterstützten sie die Bevölkerung ganz praktisch im täglichen Leben. Später waren solche ausländischen Berufsleute aber kaum mehr nötig, denn in den meisten Ländern gab es immer mehr gut ausgebildetes, einheimisches Personal, welches die fachtechnischen Aufgaben in den kirchlichen Institutionen übernahm.
Im Jahr 2000 beschäftigte die Äussere Mission mehr als 20 Mitarbeitende im Ausland, welche in den folgenden Jahren nach Beendigung ihres Einsatzes nicht mehr ersetzt wurden. Neu wurden dafür sogenannte Koordinationspersonen entsandt. Sie arbeiteten als Beraterinnen und Berater für lokale Führungskräfte und förderten die Beziehungen zwischen der EMK in der Schweiz und den Kirchen in den Partnerländern.
Connexio wurde bei der Gründung als Arbeitsbereich der Kirche für „Mission und Diakonie“ definiert, in welchem die Erfahrungen in Übersee, in Mittel- und Südeuropa sowie in der Schweiz und in Frankreich gesammelt und weitervermittelt werden. Wichtig war dabei von Anfang an Bewusstseinsbildung, Begegnungsförderung und die Beteiligung möglichst vieler Menschen. Bei Connexio engagierten sich anfänglich mehr als 45 Personen in verschiedenen Ressorts. Sie konnten ihre Erfahrungen einbringen und von den Erfahrungen anderer lernen, während sie gleichzeitig Connexio-Kontaktpersonen in den EMK-Bezirken waren. Es wurden Begegnungstage, Begegnungsreisen und Arbeitseinsätze organisiert, Kurzeinsätze für junge Erwachsene ermöglicht und Gemeindepartnerschaften initiiert. Das Konzept dahinter war, dass Mission und Diakonie persönlich erlebt wird und sich das Engagement dafür nicht nur auf die finanzielle Unterstützung beschränkt.
Welche globalen Trends oder gesellschaftlichen Themen waren während deiner Zeit als Geschäftsleiter von Connexio besonders wichtig?
Oftmals wird Entwicklung mit Konsum- und Wirtschaftswachstum gleichgesetzt. Vor gut zehn Jahren begann sich von Lateinamerika aus unter dem Begriff „Buen vivir“ eine Gegenbewegung zu dieser Denkweise zu artikulieren. Die Leute träumen nicht vom Leben in Konsumparadiesen, sondern einfach davon, „gut zu leben“. Dadurch wurde eine weltweite Diskussion in den Entwicklungsorganisationen angestossen.
Die Vereinbarung über die von der UNO formulierten Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs), welche 2015 von 196 Staaten unterzeichnet wurde, waren und sind auch für Connexio relevant. Dies passiert beispielsweise im Rahmen der Zusammenarbeit mit der DEZA, der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit der schweizerischen Bundesverwaltung.
Immer wichtiger wurden die Herausforderungen der globalen Migration. Anfänglich ging es um die Verminderung von Migration durch Verbesserung der Lebensbedingungen in den Herkunftsländern. Später leistete Connexio Nothilfe auf der Flucht resp. unterstützte Partnerkirchen und -organisationen, die sich auf den Durchgangsrouten um Migrantenfamilien kümmern. Gleichzeitig ging es auch um den Umgang mit Migrantinnen und Migranten bei uns, wofür 2013 ein spezielles Connexio-Ressort geschaffen wurde. Eine wichtige Erkenntnis dabei war, dass die vielen fremden Menschen bei uns nicht einfach eine vorübergehende Erscheinung sind, sondern dass sich unsere Gesellschaft dauerhaft verändert.
Wenn dich jemand auf der Strasse fragt: «Was kann ich tun, um die Welt ein Stück besser zu machen?», was antwortest du?
Sei interessiert an globalen Zusammenhängen und nimm Einfluss, wenn du die Möglichkeit dazu hast. Gehe abstimmen, wenn umwelt- und entwicklungspolitische Themen oder soziale Fragen zur Diskussion stehen. Auch wenn es eine Zumutung sein mag, wenn sich Kirchen und Hilfswerke bei Abstimmungen einmischen, unterstütze sie dabei, denn das Evangelium war immer auch ein politischer Aufruf. Gehe aber auch hier respektvoll mit jenen um, die eine andere Sichtweise haben.
Wo schlägt dein Herz: welches Gebiet oder welche Region liegt dir besonders am Herzen, und warum?
Ich interessiere mich seit jeher für andere Kulturen, andere Lebensweisen und für globale Zusammenhänge. Spannend ist für mich, Erfahrungen aus verschieden Kontexten miteinander zu vergleichen. Oft kann man ähnliche Verhaltensweisen an ganz verschiedenen Orten entdecken und auch Zusammenhänge erkennen. Ich fühle mich überall wohl, wo ich offenen Menschen begegne, mit denen ich mich fröhlich über verschiedenste Lebenserfahrungen austauschen kann.
Und hier wäre noch Platz für ein Schlusswort von dir…
Für mich ist es ein Privileg, Mitglied einer weltweiten Kirche mit dem einprägsamen Slogan „Open hearts, Open minds, Open doors“ zu sein. „Offene Herzen, Offener Geist, Offene Türen“ fasst das Wesen der Methodistenkirche zusammen, für die ich einstehe und für die sich auch Connexio engagiert. Ich wünsche Connexio und der EMK weiterhin Gottes Beistand.
Herzlichen Dank für deinen Einblick in deine jahrelange Arbeit und Erfahrung für Connexio. Wir wünschen dir weiterhin alles Gute und Gottes Segen und für deine vielfältigen Aktivitäten viel Kraft!
Interview: Thomas Wirth, Leiter Kommunikation und Fundraising, 22. Dezember 2022