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«Wer in Chile einwandert, ist wie jemand von uns»

18. Dezember 2021

Am 18. Dezember ist Tag der Migrant:innen. Wer sind die Menschen, die immigrieren? Was brauchen sie? Welches ist die Rolle der Kirche? Die Methodistenkirche in Chile beschäftigt sich intensiv mit diesen Fragen – und ist bereits in Antworten hineingewachsen.

Die Methodistenkirche in Chile arbeitet seit mehr als 10 Jahren mit Migrant:innen. Nach einer Situationsanalyse, die kurz vor der Pandemie erstellt wurde, hat eine Projektgruppe nun bereits ein zweites Nothilfeprojekt für Migrant:innen ausgearbeitet, das bis Sommer 2022 läuft: Die humanitäre Hilfe ist zentral, die rechtliche Situation soll verbessert werden und die Gemeinden sollen stärker als bisher Orte der Integration werden. Im Mittelpunkt sollen die Migrant:innen und ihre Bedürfnisse stehen.

Zerbrechliche Hoffnungen

Seit 2016 hat die Zahl der Migrant:innen in Chile enorm zugenommen. Sie kommen aus Peru, Bolivien, Venezuela, Kolumbien, Ecuador und Haiti. Viele sind vor Repression, Terror und Unsicherheit geflüchtet. Einige möchten möglichst rasch wieder in ihre Heimat zurückkehren, andere wünschen sich einen Arbeitsvertrag oder dass sie wieder mit ihrer Familie zusammen sein können. Alle hoffen sie auf eine bessere Zukunft und brauchen einen sicheren Ort.

In Not und unerwünscht

Doch in Chile finden die meisten Migrant:innen kaum Arbeit, sie leben in behelfsmässigen Unterkünften ohne fliessend Wasser oder auf der Strasse und am Strand. Die Pandemie hat ihre Lage verschlechtert. Viele sind illegal im Land und haben keinen Anspruch auf staatliche Unterstützung. Hunger, Krankheit und Kriminalität nehmen zu. Die chilenische Bevölkerung zeigt teilweise Widerstand und es kam an mehreren Orten zu fremdenfeindlichen Übergriffen. Wird am 19. Dezember der extrem rechts stehende Kandidat zum Präsidenten gewählt, wird sich die Situation weiter verschärfen. Die Kirchenleitung setzt sich klar für Migrant:innen ein, auch wenn sie dabei auch mit Ängsten und Vorurteilen in der Gesellschaft – und teilweise in den eigenen Reihen – umzugehen hat.

Einen Teller zu Essen geben

Mariela Correa Montecinos koordinierte vom Sommer 2020 bis Frühling 2021 ein erstes Nothilfeprojekt der Methodistenkirche. Sie meint: «Wir wollten wenigstens einen Teller zu essen anbieten und für diese Menschen da sein, die in Schmerz und Angst wegen ihrer äusserst schwierigen Situation leben.» Regelmässig wurden Nahrungsmittel und Hygieneartikel an rund 130 gefährdete Familien verteilt. Projektleiter Felipe Rojas Cortés schreibt zum aktuellen Nothilfeprojekt, das an drei Orten durchgeführt wird: «Wir haben bereits anhand von Dossiers die Menschen ausfindig gemacht, die mitmachen wollen und am dringendsten Hilfe brauchen und beginnen nächstens mit der geordneten Lieferung von Hilfsgütern.»

Zum Recht verhelfen

Bereits wurde auch Kontakt zu Sozialarbeiter:innen aufgenommen, denn die psychosoziale und rechtliche Beratung soll verstärkt werden. Die Gemeinden sollen sich zudem besser mit anderen Organisationen und staatlichen Stellen vernetzen. Die Kirche setzt sich auch dafür ein, dass der rechtliche Status der Migrant:innen verbessert wird und hat für faire Gesetze in der neuen Verfassung plädiert.

Integrationsräume schaffen

Gemeinden sind oft Orte, an denen es eine warme Mahlzeit, Schutz, Informationen und Begegnungen mit der chilenischen Bevölkerung gibt. Pfarrpersonen bieten psychosoziale Unterstützung, Freiwillige begleiten Migrant:innen auf Ämter und laden zum Kochen oder Singen ein. Migrant:innen erleben, dass sie als Personen gesehen und gehört werden. Das Team des Nothilfeprojets möchte diese integrative Arbeit auf mehr Gemein-den ausweiten – im Wissen darum, dass dies eine vertiefte Hingabe der Kirche im grossen Stil bedeuten wird, mit der nicht alle einverstanden sein werden. Dieses Thema soll darum innerhalb der Kirche sorgsam und mit Fingerspitzengefühl angegangen werden.

Wie eine Person mehr von uns

Perla Scappini kommt aus Paraguay, ist mit einem Chilenen verheiratet und in der Arbeit mit Migrant:innen in Santiago tätig. Sie wünscht sich von der Kirche, dass Migrant:innen nicht als Bedrohung gesehen oder ausgenutzt werden. Sie sollen auch nicht nur als Hilfsbedürftige wahrgenommen werden, sondern als Menschen mit Fähigkeiten und mit einer Geschichte und Kultur, die genauso wertvoll ist wie die eigene. «Wer immigriert, ist eine Person, genau wie ich. Mit denselben Rechten und Pflichten. Sie ist genau wie wir; sie ist einfach eine mehr von uns.»

Text: Nicole Gutknecht // Bild: Migrantin in Arica, zur Verfügung von Mariela Correa Montecinos // Quellen: Mariela Correa Montecinos, Felipe Rojas Cortés, Perla Scappini, David Brenner

 


Helfen Sie mit!

Connexio develop, die Entwicklungszusammenarbeit der Methodist:innen, hat Beiträge zur Nothilfe geleistet und die Situationsanalyse finanziert. Connexio develop unterstützt auch das zweite Nothilfeprojekt in Chile mit einem Beitrag von CHF 20’000 und dem Einsatz des Koordinators David Brenner. Connexio develop, Zürich, CH44 0900 0000 1574 7157 9 (Bemerkungen: „Arica“)